Tierisches
Fliegen
Wir - Fliegen
zwischen Jalousie und Scheiben
ungewollt
lichtgepolt
stets verbleiben
bis uns der Abend eingeholt.
Wir - kämpfen
zwischen Jalousie und Scheiben
nur im Kreis
( superklug! )
und vermeiden
den polaren Gegenflug.
Wir - taumeln
zwischen Jalousie und Scheiben.
Kampfgebrumm
schon bescheiden,
kaum noch Müh` -
in Rückenlage heute früh.
Wir – fegen
zwischen Jalousie und Scheiben
die zahlreichen
Fliegenleichen,
kaum betroffen.
Ein Fensterspalt ist immer offen!
Zoologische Gärten
Kunstfels mit Gräben.
Zäune und Mauern
mit Gitterstäben.
Davor, das sind wir.
Dahinter das Tier.
Schnell Fotos machen.
Du, guck mal da!
Der Hippo-Rachen!
Unser Plaisier
der Schnappschuss vom Tier.
Das Tier lebt gratis,
ohne Kalkül,
im Paradies.
Wir sind da raus.
Ohne Applaus.
Das Tier ist perfekt,
entscheidet spontan,
sucht keinen Effekt.
Nur den wollen wir.
Weit weg ist das Tier.
Kunstlicht vor Glas.
Holz, Stahlbeton
im Übermaß.
Dahinter sind wir.
Davor lebt das Tier.
M. Wurch
Ratten
Wären wir wie Ratten,
durchsuchten wir den Kot
in Restabfällen,
Schweineställen:
Unser täglich Brot.
Wären wir wie Ratten,
ließ uns der Floh nicht ruh'n.
Wunden beißend,
Pest verheißend!
Doch wir wären immun.
Wären wir wie Ratten,
dann trügen wir die Schuld
an Hungersnot
und Seuchentod -
lebten vom Wegwerfkult.
Wären wir wie Ratten,
dann würd' man uns vergasen
mit Monoxiden
und Karbiden.
Nach denVermehrungsphasen.
Wären wir wie Ratten,
wir hätten Kraft zum Leiden,
an Todestagen
am Kreuz noch nagen,
Tragödienspiel vermeiden.
Wären wir wie Ratten,
wir folgten blind dem Fänger.
Bei Flötenlied
in Reih' und Glied
als braune Schattengänger.
Wären wir wie Ratten -
unser wär das Reich
gulliweit
in Herrlichkeit.
Alle wären gleich!
M. Wurch
Nestraub
Die Elster kam bei Morgengrauen
zum Drosselnest im weißen Flieder
und konnte eins der Jungen klauen.
Sie sagte: Morgen komm` ich wieder!
Am nächsten Tag - es dämmert kaum -
flog sie in Richtung Drosselnest.
Sie fand`s auch gleich im Fliederbaum
und dachte: Jetzt hol`ich den Rest!
Als sie erreicht des Nestes Rand,
da ist es leer! Allein sie fand
ein kleines Stückchen bräunlich-weiße
- der Leser ahnt`s schon -Drosselscheiße.
M. Wurch
Die Heckenbraunelle
In buschigem Land
an verborgener Stelle
singt meist unerkannt
die Heckenbraunelle.
Es klingt explizit
nach quietschender Welle -
das endlose Lied
der Heckenbraunelle.
Durchs Fenster ich lug,
bieg weg die Lamelle.
Da kommt sie im Tiefflug.
Die Heckenbraunelle.
In braunem Kostüm
mit weißer Nahtstelle
perfekt feminin:
Die Heckenbraunelle.
Sie fällt uns kaum auf -
ist Bescheidenheitsquelle.
Doch es gibt sie zuhauf.
Die Heckenbraunelle.
M. Wurch