Reiseandenken
Am Totenmaar
Trügt uns die Stille am Totenmaar?
Weit fern eine Kirchglocke klingt.
Und mitten im See – kaum wahrnehmbar -
ein feiner, schäumender Wirbel entspringt.
Er weitet sich aus und schwillt mit Macht.
Fontänen hochschießen wie Geisterwesen.
Ein Schäfer, der seine Herde bewacht,
weiß diese Drohung des Maares zu lesen.
Als Kreuz hält er Stecken mit Hut vor sich,
geht betend rund um das Maar.
Die Glocke von fern tönt feierlich.
Es folgt ihm der Schafe blökende Schar.
Die Dorfbewohner ehrfurchtsvoll
verfolgen die Prozession.
Da glättet sich des Sees Groll
am Ende der zweiten Runde schon.
Die Prozession wird Ritual;
man hat das Zeichen erkannt.
Alljährlich trifft man sich im Tal;
geht singend den Rundweg am Uferrand.
M. Wurch
Ostseefähre
Die Fähre fährt Vollkraft voraus.
Auf Deck herrscht Digital-Alarm
- für die Erinnerung zu Haus -
mit hochgestrecktem rechten Arm.
Wir sitzen auf dem Oberdeck
und blicken auf das scheinbar Kleine.
Ich zoom heran – als Fotogag -
vom Unterdeck vier nackte Beine.
Herr Dreisam döst im Sonnenbad,
die Unterlippe glänzt in Weiß.
Sein Ziel: Mittlerer Bräunungsgrad
als Ostsee-Sommertag-Beweis.
Die Fähre hat sich leicht verfahren.
Der Steuermann hat korrigiert.
Ein Kurvenschaum das Meer nun ziert,
verursacht von zwei Schraubenpaaren.
Links drüben sieht man Schwedens Küste,
jedoch fürs Foto viel zu weit!
Viel besser wirkt da Helgas Büste. -
Nun ist schon wieder Essenszeit.
Erbarmungslos klingt`'s täglich viermal:
„Es ist bereits für Sie gedeckt!“
Dann zieht der Tross hinab zum Eßsaal.
Gewissensbisse ? - Nicht entdeckt.
Das Lernziel ist die Zarenstadt.
Nun Uhren auf Kommandozeit!
Wir steigern unser'n Bildungsgrad
von Hapag Lloyd reell betreut.
Im südlichen Hotelgarten
Bei Abendblau durchs Kiesweglabyrinth
zwei Seelen gehen eingehakt.
Vom Hafen kommt ein später Wind,
der sich bis zum Hotel hoch wagt.
Die Palmen prompt im Chore rauschen;
sie neigen ihre Fächer matt.
Wir steh’n am Felsenhang und lauschen
den Tönen drunten aus der Stadt.
Die Pflanzenwelt ist andersartig -
wie auf Gemälden von Rousseau.
Im Blätterstyling großformatig –
ganz oben Kiwi und Mango.
Wir geh’n vorbei an dunklen Ecken,
wo leere Eisentische steh’n
und scheue Katzen sich verstecken
zum Schwimmbadlicht, ganz halogen.
Die Liegen blicken auf das Wasser
mit Kopfteilen steil hoch gestellt.
Die Kachelmuster wirken blasser,
aus Duschen noch ein Tropfen fällt.
Am fremden Himmel haften Sterne,
und reichen bis zum Horizont.
Die Welt scheint anders in der Ferne,
doch sie ist gleich – nur ungewohnt.
Hinaus nun aus dem Zauberland!
Denn schon besiegt uns Schläfrigkeit.
Hoch droben Schatten an der Wand!
Begonnen hat die Gecko-Zeit.
Verlassen musst du stets den Garten,
auch wenn er dir vertraut schon war,
weil längst die nächsten Gäste warten.
Du bist nur Transit-Exemplar!
M.Wurch
Ludwigslust
Barockgezirkelte Kreise,
Kanäle an Blickachsen.
Teich – längst verwachsen
an moosiger Schneise.
Und droben das Schloss.
Trotz Altersflecken herrschaftlich
und versonnen.
Der Großherzog heißt uns willkommen.
Auf weiten Treppen wir -
deplatziert und klein.
Gold-Pappmache als Deckenzier.
Der Page ließ uns freundlich ein
zum Hofstaat auf Holz und Papier.
Die Platzhalter heute sind wir.
Manfred Wurch (September 2013)
Am Strand
Im Dünenland
so schwerelos
verblies der Wind die Zeit.
Wir trafen uns
bedingungslos,
spielten Vergangenheit.
Am Spülsaum
verblichener
Alltagsreste
wollten wir fliegen,
den Westwind besiegen.
Wir Sommergäste.
Im Strandgut
die Schwungfedern.
M. W. 2014
<< Neues Textfeld >>