Jährliches
Meisenruf
Mein Nachbar – der hat eine Meise!
Sie blieb bei ihm nicht lang allein.
Es stellten sich so ratenweise
noch viele Exemplare ein.
Durch eine enge Einflugschneise
sausten sie manchmal auch zu mir.
Nun hab`ich auch `ne blaue Meise -
mein schneller Nachbarschaftskurier.
Die blaue Meisenenergie
erhöht die Drehzahl im April
mit rücksichtslosem Zizibii
zur Stund`, wo ich noch schlafen will.
Heut`morgen ging es wieder los!
Frau Kohl hatte mit Gras und Moos
den Schnabel voll und passte doch
durchs dreißig Millimeter Loch.
Das Sammeln, Wuseln und Sich-regen
mit wachem Meisenpower-Blick
heißt auch für uns nun: Harken, fegen,
vom Moos befrei`n das Rasenstück!
Ostern
Es hängen Eier an den Zweigen
in knallig bunter Farbenpracht.
Der Winter mag sich kaum noch zeigen.
Er findet das nicht angebracht!
Insofern
ist Ostern.
Es legt der Hase Nougat-Eier
und sitzt doch selbst im Goldpapier -
Protagonist der Osterfeier.
Ein zoologisch` Wundertier.
Insofern
ist Ostern.
Im Hühnerstall herrscht Legezwang.
Wir wollen unser Frühstücksei
heut` möglichst farbig, glänzend blank,
vor allem salmonellenfrei.
Und so gern
zu Ostern.
Herr Wagner geht schon früh spazieren
vorbei an duftenden Narzissen.
Ein Pudel hat sich losgerissen.
Er knurrt und will mit ihm paktieren -
als Kern!
Ostern.
Herr Wagner eilt ins Gotteshaus,
singt feierlich Halleluja!
Die Predigt hält er tapfer aus.
Das war`s fast mit dem Kirchenjahr.
Und schon fern
ist Ostern.
Manfred Wurch
Bad Segeberg
Geburtstag
An diesem Tag, so sagt`man mir,
ward ich geboren.
Urkundenpapier.
Und dieser Tag, mal gut, mal schlecht,
er wurde mein
Gewohnheitsrecht.
An diesem Tag denk ich zurück.
Kulissen verblassen.
Mein Bühnenstück.
Und nur ein Tag im Zeitgetriebe.
Doch manchmal bleibt
ein bisschen Liebe.
Martinsgänse
Wohl tausend vorm Gatter
in schmutzigen Pfützen
unschuldig Geschnatter.
Idylle vorschützen.
Marschordnung täglich,
die Gänsebrust vor,
Flugversuch kläglich
im Schrei sich verlor.
Zögernder Gang,
ein Gitter verzehrt
den Freiheitsdrang.
Ihr Leib wird begehrt.
Äugender Blick
in der Fleischfabrik.
Ein kurzer Schrei, ein leichtes Zittern.
Wir können euch nicht durch den Winter füttern!
Manfred Wurch
Einfach Weihnacht
Entsagen wir diesmal dem Brauch
von Weihnachtsbaum und Gänseschmaus?
Vielleicht tut's dieses eine Mal ja auch
der Tannenzweig am Vogelhaus.
Entzündet ihr das Kerzenlicht
und geh'n Gedanken weithinaus
ins Hehre – so vergesset nicht
den Tannenzweig am Vogelhaus.
Genießt der bunten Märkte Fülle,
die großen Klänge, den Applaus.
Doch geht hinaus auch in die Stille,
schneidet den Zweig fürs Vogelhaus.
M. Wurch
Tannen und Fichten
Tannen und Fichten
auf Felsen und Steinen
in Wäldern und Hainen -
in lichten und dichten.
Tannen und Fichten
aus Schonung geschlagen
an frostigen Tagen -
zum Christbaum errichten.
Tannen und Fichten
schon abgeschmückt
Äste geknickt -
als Beetschutz aufschichten.
Tannen und Fichten
am Baumsammelort -
doch leben sie fort
in Weihnachtsgedichten.
Manfred Wurch
Weihnachtsgedicht
Vielleicht ein neues Lied
in diesem Jahr?
Ein neuer Ton – vernehmbar.
Im alten Haus ein neuer Schein.
Wir machen uns
besenrein.
Vielleicht ein neues Buch
für viele Stunden.
Zum Eis aufbrechen – und gesunden.
Ein neuer Schnee wird fallen
und schmelzen im Zenit.
Es bleibt der neue Ton,
dein neues Lied.
Maria
Und es begab sich
dass ein Gefecht anfing,
dass jedermann
die Flucht begann
ein jeglicher zur Grenze ging.
Maria verließ Syrien;
wo Bomben sie bedrohten.
Zurück blieben die ihrigen,
Man zählte nur die Toten.
Sie suchte nachts den Weg
auf Ochsenpfad und Eselssteg,
durch Dornen, über Stein
bei fahlem Himmelsschein.
Das fremde Land, die neue Welt!
Man zählte Zelt um Zelt.
Ein leiser Schrei, ein schwaches Licht.
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Die Könige – sie kamen nicht.
Manfred Wurch
Neujahrstag
Noch liegt das neue Jahr in seiner Windel
und schämt sich für die braunen Böllerreste
vom Morgen, von dem Rausch, dem Freudenschwindel.
Dann Nieselregen gründlich alles nässte.
Spontane Besenteams in Wohnbezirken
mit Pflichtgefühl und blauen Abfallsäcken
beginnen emsig auf den Straßen nun zu wirken,
um Asphaltgrau durch Fegen zu entdecken.
Jetzt kommt sogar die Neujahrssonne raus
und putzt den Gehsteig glänzend wie mit Viss.
Ich such’ Raketenstöckchen hinter’m Haus
für den Kamin als Anmachholz – gratis.
So geht vorbei der erste Jahrestag.
Noch manchmal ein verschlaf’ner Knallfrosch platzt;
und wer am Vortag schwer dem Sekt erlag,
liegt immer noch in seinem Bett und ratzt.
Mückenspiel im Februar
Wer macht mit
das Wölkchenspiel,
wagt mit uns
den Hexenritt
auf und ab?
Ein Heidenspaß
über dem toten Gras.
Wer macht mit
den Frühauftritt?
Wer spielt mit uns
im Strahlenglanz?
Wer tanzt mit uns
Verführungskunst?
Bis zum Frost.
M. Wurch 2014
Krippenspiel
Die Hirten mehr nach links
mit ihrer Last
und den gekrümmten Stecken
von alten Dornenhecken!
Ich wär' gern der Joseph!
Du bist es schon lange
mit sprachlosem Teil
und Zimmermannsbeil!
Im Komparsen-Range.
Sind wir die Könige
mit Opfergold
heimlich gesandt
aus reichem Land?
Noch fehlt die Regie,
doch die Zeit verrinnt.
Vorbei mit Probieren,
wir improvisieren.
Das Spiel beginnt.
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